In den geschichtsträchtigen Straßen von Leipzig, genauer gesagt in Altlindenau, verbirgt sich ein architektonisches Juwel aus der Zeit um 1910. Der Wohnhauskomplex, beauftragt von der renommierten Firma Großbuchbinderei H. Fikentscher, umfasst drei Wohnhäuser in der Luppenstraße 5 bis 9 sowie das Doppelwohnhaus in der Jahnallee 65-71. Dieses beeindruckende Bauprojekt wurde von dem talentierten Architekten Georg Wommer entworfen und unter seiner Leitung realisiert.
Ein millionenschweres Unterfangen
Das Bauvorhaben, das einen unglaublichen Wert von 1 Million Mark hatte, umfasste nicht nur Wohnhäuser, sondern auch ein Fabrikgebäude im Hof. Die Firma Großbuchbinderei H. Fikentscher erteilte Georg Wommer den Auftrag, insgesamt, laut schriftlicher Korrespondenz, acht Wohnhäuser zu entwerfen und zu realisieren. Der Einzug in die neuen Wohnräume war für den 1. Oktober 1910 geplant.
Architektur im Jugendstil und Reformstil
Die Luppenstraße präsentiert sich im Stil des Jugendstils und Reformstils. Dreigeschossige Wohnhäuser auf einem hohen Sockelgeschoss, ausgebaute Dachgeschosse, Putzfassaden, kräftige Portale und Lisenengliederung charakterisieren diese Straßenseite. Besonders auffällig ist Nummer 9 mit einem heruntergezogenen Dach und einem beeindruckenden Anbau, der mit Satteldach und Walmdach gestaltet ist.
Die Jahnallee hingegen zeigt sich im viergeschossigen Aufbau auf Souterrain, mit ausgebaute Dachgeschossen. Hier prägen Kastenerker, Zwerchhaus und eine Fassadengliederung mit Putzornamentik und Majoliken die Architektur. Die Ladenfronten sind original erhalten, und im Inneren des Gebäudes finden sich Marmorelemente und Holzpaneele im Eingangsbereich – ein Zeugnis des Reformstil-Architekturstils.
Rätselhafte Reliefs und ihre Verbindung zur Luftfahrtgeschichte
Ein faszinierendes Element des Komplexes sind die Reliefs, insbesondere das Luftschiff-Relief über dem Hauseingang von Günther O. Schultz. Nach Recherchen ergab sich eine mögliche Verbindung zur Geschichte des Luftschiffpioniers Hermann Wölfert. Dieser verunglückte 1897 bei einem Absturz in der Nähe von Leipzig mit seinem motorbetriebenen Luftschiff, basierend auf der Bauweise des Pioniers E. G. Baumgarten aus Chemnitz.
Der Urenkel von Hermann Wölfert, Günther O. Schultz, wies darauf hin, dass das Relief erstaunliche Ähnlichkeiten mit den Zeichnungen im Patent von Baumgarten aufweist. Die Vermutung liegt nahe, dass es ein Kinderbuch mit entsprechenden Zeichnungen gab, auf dem die Reliefs basieren könnten. Weitere Forschungen könnten enthüllen, ob es eine buchstäbliche Verbindung zum Verlagshaus der Großbuchbinderei H. Fikentscher gibt.
Das Erbe von Georg Wommer
Georg Wommer, der nicht nur als Architekt, sondern auch als Leiter der Firma Gebrüder Wommer agierte, hinterließ ein beeindruckendes Erbe. In seiner kurzen, aber produktiven Schaffenszeit von nur zehn Jahren widmete er sich zunächst Fabrikbauten und maschinellen Anlagen, bevor er sein Portfolio um Wohnhäuser im Jugend- und Reformstil erweiterte. Sein Beitrag zur Architekturgeschichte von Leipzig bleibt auch durch dieses eindrucksvolle Wohnhauskomplex erhalten.
Der Wohnhauskomplex in Altlindenau ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein Fenster in die Geschichte Leipzigs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit seiner faszinierenden Architektur und den rätselhaften Reliefs lädt er dazu ein, die Vergangenheit zu erkunden und die Verbindung zwischen Kunst, Geschichte und Technologie zu verstehen.